Infanteriestellungen des Bollwerks Mainz im Ersten Weltkrieg
Rekonstruktionen auf dem Westerberg und dem Gau-Algesheimer Kopf
Blick auf den Westerberg und den Gau-Algesheimer Kopf aus Richtung Bingen. Im Vordergrund die Stadt Gau-Algesheim. Entlang des Bergrückens befanden sich die vorgeschobenen Infanteriestellungen der Festung Mainz, die 1914 nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges angelegt wurden. Die 4,5 km lange Verteidigungslinie sollte einen erwarteten französischen Angriff auf die Rheinlinie aufhalten und abwehren. 11 Kompanien mit fast 3000 Soldaten hätten in den Stellungen Platz gefunden. Die deutsche Artillerie hätte ich hinter dem Berg befunden ind wäre durch Beobachter in den vorgeschobenen Stellungen geleitet worden. Eine Zahnradbahn auf den Westerberg sorgte für den Transport der Soldaten und die Versorgung. Die Pfeile zeigen von links nach rechts den Bismarckturm sowie die Standorte der beiden Erinnerngstafeln von den Infanteriestellungen Nord und Süd
Standorte der Erinnerungstafeln
Die am 3. Mai 2015 der Öffentlichkeit übergebenen Erinnerungstafeln (Foto links) befinden sich entlang des Prädikatswanderweges rund um den Bismarckturm. Dieser Rundkurs „Hiwweltour Bismarckturm“ ist 10,3 Kilometer lang. Die ausgeschilderte Gesamtstrecke mit allen Zuwegen beträgt 18,2 Kilometer. 51 Hinweisschilder und vier Infotafeln lotsen den Wanderer über den Rundkurs, der vom Bismarckturm über den Gau-Algesheimer Kopf ins Welzbachtal und von dort über den Berg wieder zurück zum Ausgangspunkt führt.
Der Prädikatswanderweg um den Bismarckturm wurde im Mai 2014 eingeweiht und ist eine von insgesamt vier "Hiwweltouren", die über die rheinhessischen Hügel (Hiwwel) verlaufen.
Zwei Infotafeln entlang der „Hiwweltour Bismarckturm“ erinnern an die Geschichte des Gau-Algesheimer Kopfes während der Zeit des Ersten Weltkrieges. Die aus dieser Zeit noch erhaltenen Infanteriestellungen gehören zu den ganz wenig erhaltenen Festungswerke ihrer Art in Deutschland.
Wanderkarte mit Lage der Infanteriestützpunkte vergrößern, hier
Erinnerungstafel der Infanteriestellung Nord
49°57'25.19"N
8° 1'42.27"E
Erinnerungstafel der Infanteriestellung Süd
49°56'57.22"N
8° 1'36.69"E
Anreise
Öffentliche Verkehrsmittel: Bahnhof Ingelheim mit Zuweg zum Startpunkt, Bahnhof Gau-Algesheim mit Zuweg zum Startpunkt
PKW: A60 Ausfahrt Ingelheim West, weiter L428 ca. drei Kilometer in Richtung Nieder-Olm, dann in Ingelheim Süd im Kreisel in Richtung Waldeckstraße abbiegen, weitere zwei Kilometer hoch bis zum Bismarcktur
Parken: Parkplätze am Bismarckturm sind meistens ausreichend vorhanden,
Adresse für Navi: Waldeck, 55218 Ingelheim
Wanderung: Hiwweltour Bismarckturm 3
Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten: vorhanden
„Hiwweltour Bismarckturm“ mit Wanderkarten und ausführlichen Beschreibungen
Informationen von Rheinhessen-Touristik GmbH, hier
Informationen von outdooractive (sehr empfehlenswert), hier
Hinweistafel der "Hiwweltour Bismarckturm" vergrößernn, hier
Karte mit Lage der Infanteriestützpunkte vergrößern, hier
Karte links: Lage der Infanteriestützpunkte sind blau markiert
Die Erinnerungstafeln ansehen
Die Erinnerungstafel der Infanteriestellung Nord, vergrößern
(Tafel in hoher Auflösung mit längeren Ladezeiten, hier)
Die Erinnerungstafel der Infanteriestellung Süd, vergrößern
(Tafel in hoher Auflösung mit längeren Ladezeiten, hier)
Geschichte:
Das Bollwerk Mainz im Ersten Weltkrieg und die vorgeschobene Stellung Westerberg
Vor einhundert Jahren begann der Erste Weltkrieg. Bereits wenige Tage nach der Mobilmachung begannen tausende von Soldaten und Arbeiter, die deutschen Festungen zu armieren. Darunter auch die Festungen Wesel, Köln, Koblenz, Mainz, Germersheim, Straßburg und am Oberrhein. Die Festungsstädte am Rhein waren nach den deutschen Operationsplänen die letzte Verteidigungslinie im Westen. Die Festungen hatten insbesondere den Auftrag, einem deutschen Heer den geschützten Uferwechsel vom westlichen auf das östliche Rheinufer zu ermöglichen. Die größeren Festungen Köln, Mainz und Straßburg hatte darüber hinaus einen weiteren, offensiven Auftrag. Sie sollten für die deutschen Truppen eine Reorganisation auf dem rechten Rheinufer und durch ihre Brückenköpfe einen erneuten Übergang auf das westliche Rheinufer möglich machen. Aus diesem Grunde wurde diesen Festungen besonders stark ausgebaut. Ein Krieg in den romantischen Rheintälern, ein Krieg in den rheinhessischen oder pfälzischen Weinbergen, ein Krieg entlang der idyllischen Altrheinarme und ein Krieg am Oberrhein. Vorbereitet hierfür war alles.
Heute wissen wir, dass zwar die ersten Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges nahe dem Rhein stattgefunden haben und von der Feste Istein am Oberrhein die ersten Festungsgeschütze des Krieges zum Einsatz gekommen sind. Nach dem Scheitern des Schlieffenplan begann jedoch bald ein Stellungskrieg an der belgisch-französischen Grenze. Ein Krieg am Rhein war zunächst einmal in weite Ferne gerückt. Deshalb wurden in den Festungsstädten am Rhein die Armierungsarbeiten bereits Ende August 1914 nicht mehr nach den ursprünglichen Planungen durchgeführt. Teilweise waren beim Ende des Krieges das Holz von Infanterie- und Artilleriestellungen wieder ausgebaut, Schützengräben zugeschüttet oder Drahtnetze abgebaut worden. Dies ist einer der Gründe dafür, dass die Bedeutung und die gewaltigen Ausmaße der Festungen am Rhein zu Beginn des Ersten Weltkrieges heute häufig vergessen sind.
Nur ganz wenige Reste aus der Zeit des Ersten Weltkrieges sind in Deutschland heute noch erhalten. Bekannt sind Teile von original erhaltenen Stellungen aus dieser Zeit lediglich am Niederrhein, in Rheinhessen, in Germersheim oder an der Donau in Ulm. In der Nähe von Wesel gräbt das nordrhein-westfälische Amt für Bodendenkmalpflege bei Emmerich-Elten und Kranenburg die 1916 bis 1917 gebauten „Verteidigungsanlagen an der Reichsgrenze, bestehend aus Bunkern, Deckungs- und Laufgräben“ aus. Auch oberhalb der kleinen rheinhessischen Stadt Gau-Algesheim am Rande der Mainz-Ingelheimer Rheinebene sind erhaltene Stellungen aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt worden.
Die Infanteriestellungen auf dem Westerberg gehörten zur Festung Mainz. Diese war im Ersten Weltkrieg in zwei Verteidigungslinien unterteilt. Den inneren Festungsring bildeten vierzehn Forts aus der Zeit des Deutschen Bundes, die überwiegend nach der Brisanzkrise modernisiert, mit Beton oder Granit verstärkt und zu Infanteriewerken umgebaut worden waren. In Rheinhessen war vor und während des Ersten Weltkrieges die Selzstellung als äußere Verteidigungslinie gebaut worden. Diese Hauptverteidigungsstellung der Festung Mainz hatte eine Länge von 55 km und bestand aus über 350 modernen Festungswerken. Diese waren in 13 Befestigungsgruppen mit insgesamt 60 Infanteriestützpunkten sowie 47 Artillerie- und Munitionsräumen zusammengefasst. Die Versorgung und der Nachschub waren durch ein militärisches, über 40 km langes Straßen- und Bahnnetz sichergestellt.
Der Selzstellung vorgelagert waren vier Gruppen für 39 Kompanien als vorgeschobene Stellungen. Eine dieser Gruppen war die vorgeschobene Stellung auf dem Westerberg. Diese bildete die vorgelagerte rechte Flanke der Selzstellung und die vorderste Front der Festung Mainz.
Die vorgeschobene Stellung verlief entlang des Westerberges bei Ingelheim und des Gau-Algesheimer Kopfes. Gebaut wurden Infanteriestellungen für insgesamt 11 Kompanien. Für den Aufbau dieser Stellung wurde als erste Maßnahme sofort nach Beginn des Krieges eine Zahnradbahn rückseitig auf den Westerberg geführt. Am 11. Armierungstag begann der feldmäßige Ausbau der Stellungen. Verteidigungsfähig waren die Stellungen am 20. Armierungstag, also am 21. August 1914. Hierfür war nach damaligen Aufzeichnungen eine „teilweise Betonverstärkung vorgesehen“. Ob dieser Verstärkungsmaßnahmen auch tatsächlich vorgenommen wurden, erscheint wegen des tatsächlichen Kriegsverlaufs allerdings zweifelhaft. Belegt ist lediglich, dass die Stellungen 1914 und 1915 auf dem Westerberg entstanden und die Bauten nicht „massiv“, sondern „aus Holz“ ausgeführt worden waren.
Die vorgeschobene Stellung auf dem Westerberg hatte eine Länge von ca. 4,5 km. Die Infanteriestellungen waren entlang dieser Linie aufgereiht und hatten untereinander unregelmäßig Abstände. Heute lassen sich noch mindestens 9 dieser Stellungen auf sogenannten LIDAR-Laserscans nachweisen, die das rheinland-pfälzische Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz (LVermGeo) entlang der Höhen des Westerbergs angefertigt hat. Die moderne Technologie (Lidar: Light detection and ranging) hilft in Gegenden, wo Festungsreste von oben wegen schützender Blätterdächer unsichtbar bleiben. Lidar sendet aus der Höhe Lichtimpulse zu Boden. Von einem Flugzeug können die unterschiedlichen Bodenstrukturen mit einem Laserscanner detailreich gemessen und auf einem digitalen Geländemodell dargestellt werden. So wird erkennbar, was unter der Blätterdecke verborgen liegt.
Mit den Ergebnisse dieser Lidar-Laserscans und den erhaltenen Funden vor Ort lassen sich die original erhaltene Stellungen aus dem Ersten Weltkrieg erstmals rekonstruieren. So gab es auf dem Westerberg mehrere große Stellungen, die für die Belegung einer ganzen Kompanie ausgerichtet waren. Weiterhin sind Stellungen gebaut worden, bei denen zwei kleinere, nebeneinander liegende Stellungen für eine Kompanie genutzt wurden. Bei allen Stellungen waren für den Aufenthalt der Soldaten kleine Infanterieräume vorhanden. Bei den großen Stellungen waren dies 8, bei den kleineren Stellungen bis zu 5 Räume. 24 Soldaten und damit ein 1/3 Zug hätten in jedem dieser Räume auf Bänken sitzend Platz gefunden. Wegen der ursprünglichen Planung, die Stellungen teilweise mit Beton zu verstärken, waren die Räume mit Wellblechen ausgekleidet und mit einer 60 bis 80 cm dicken Erdschicht abgedeckt. Die Wellbleche und die Baumaterialien für die Unterkunftsräume der Soldaten sind heute nicht mehr vorhanden. Ebenso wenig finden sich heute noch die 10 m breiten Drahtnetze.
Gut erhalten und in der Landschaft zu sehen sind auf dem Westerberg noch Verkehrs-, Verbindungs- und Schützengräben. Integriert in die Schützengräben gab es mit Holz verkleidete Unterschlupfe, in denen jeweils 5 Mann sitzend sich hätten aufhalten können. Gut zu erkennen sind auf den Laserscans und vor Ort auch noch die Stellen, wo sich die Verbandräume, die Küchen, die Räume für die Offiziere und die Fernsprecheinrichtungen sowie das Abort befunden haben. Diese Räume waren mit Ausnahme des Aborts jedoch nicht bei allen Infanteriestellungen vorhanden. Insbesondere bei den kleinen Stellungen waren Verband-, Offizier- und Fernsprechräume sowie die Küche für die Nutzung einer Kompanie aufgeteilt. Gemeinsam war diesen Räumen, dass sie fast immer in der Nähe der Verbindungsgräben angelegt worden waren.
"Die Schützengräben auf dem Westerberg sind ein rares Denkmal in Deutschland", titelte am 29. März 2014 die "Allgemeine Zeitung" in einem ganzseitigen Bericht über die Spuren aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Die Stadt Gau-Algesheim hat in Kooperation mit der Carl-Brilmayer-Gesellschaft die beiden Informationstafeln zu den Stellungen auf dem Westerberg aufgestellt.
Infanteriestellungen heute
Hinweisschild auf den Verlauf eines Schützengrabens
Infanteriestellung Nord heute
Blick auf einen Verbindungsgraben
Infanteriestellung Nord heute
Blick auf Gräben entlang der Infanterieräume
Infanteriestellung Süd heute
Blick auf einen Verbindungsgraben
Infanteriestellung Süd heute mit Laufgraben
Hinweisschild auf den Verlauf eines Verbindungsgrabens
Hinweistafel der Infanteriestellung Nord
Weitere Informationen
Mehr Wanderungen für Festungstouren, hier
Die Bedeutung der Festung Mainz für den deutschen Schlieffenplan, hier
Die vorgeschobene Stellung auf dem Westerberg, hier
Die Zahnradbahn auf den Westerberg, hier
Die Selzstellung in Rheinhessen, hier
Themen des Buches zum Bollwerk Mainz, hier
Infanteriestellungen in Emmerich-Elten, hier
Presse
Allgemeine Zeitung vom 29. März 2014: "Schützengräben auf dem Westerberg - DENKMAL: Im Ersten Weltkrieg waren Befestigungen nahe Gau-Algesheim Teil des 'Bollwerks Mainz' / Rarität in Deutschland", lesen
Auszug aus dem Artikel über die weiteren Planungen
"... Die erhaltenen Gräben auf dem Westerberg erlauben - sagt Kemmer im Gespräch mit dieser Zeitung - einen Blick in die regionale Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts. Die Carl·Brilmayer·Gesellschaft verfolgt jetzt die Absicht, 'exemplarische Abschnitte' der Erdwerke auf Gau-Algesheimer Boden als historische Verteidigungsanlage für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Daher strebt die Gesellschaft einen Konsens mit der Stadt und dem Kreis als Naturschutz-Behörde an."
Allgemeine Zeitung vom 29. April 2015: "Schützengräben auf dem Westerberg mit Lasertechnik sichtbar gemacht", lesen
Auszug aus dem Artikel:
"Von der 'größten Baumaßnahme', die Rheinland-Pfalz je gesehen hat, spricht Dr. Michael Kemmer mit Blick auf das 'Bollwerk Mainz' ... Um an die Geschichte des Gau-Algesheimer Kopfes während des Ersten Weltkrieges zu erinnern, hat die Carl-Brilmayer-Gesellschaft mit Unterstützung des Landesamts für Geologie und Bergbau zwei Infotafeln erstellt, die Anfang Mai der Öffentlichkeit übergeben werden ... 'Die Infanteriestellungen auf dem Westerberg sind ziemlich einzigartig', betont Dr. Michael Kemmer, Vorsitzender der Carl-Brilmayer-Gesellschaft, die die Geschichte des Gau-Algesheimer Raums erforscht. Derartige Relikte existierten in Deutschland kaum ein zweites Mal...",
Zum Weiterlesen
Büllesbach Rudolf / Hollich, Hiltrud / Tautenhahn, Elke: Bollwerk Mainz – Die Selzstellung in Rheinhessen, München 2013, mehr hierzu
Brauch André / Büllesbach Rudolf: Infanteriestellungen aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt - Rekonstruktion einer vorgeschobenen Stellung der Festung Mainz, in: Interfest e. V., Am Wall 88/ 2014, lesen
Faßbinder, Thomas / Haupt, Peter: Stellungen des Ersten Weltkriegs auf dem Westerberg. Heimatjahrbuch Landkreis Mainz-Bingen 58, 2014 (2013) S. 123-126.
Allgemeine Zeitung vom 29. März 2014: "Schützengräben auf dem Westerberg - Im Ersten Weltkrieg waren Befestigungen nahe Gau-Algesheim Teil des 'Bollwerks Mainz' / Rarität in Deutschland"
Webseite der Carl-Brilmayer-Gesellschaft: "Der Westerberg - Teil des rheinhessischen Hügellandes", lesen
Die Erinnerungstafeln wurden unterstützt durch
Carl-Brilmayer-Gesellschaft e.V.
Landesamt für Geologie und Bergbau
QR Code
QR Code der Hinweistafeln